Verrückte Idee oder ein bewusst hoch gestecktes Ziel aus Kalkül? Sicherlich beides! Das in Ulm vorgesehene Gelände ist extrem anders als die Schauplätze aller vorherigen Gartenschauen. Weil es große Verkehrsflächen mit einschließt, sind die Aufgabenstellungen besonders komplex. Gerade, wenn es um Neuorganisationen im Verkehrsbereich geht, werden sich die Veränderungen bis weit hinaus über das eigentliche Gartenschaugelände auswirken.
Wohl noch keine Landesgartenschau vorher hat sich so hohe Hürden gesetzt. Daher müssen sich Stadt-, Verkehrs-, Landschafts- und Infrastrukurplaner eng miteinander abstimmen.
Die „Mission 2030“ bringt die einmalige Chance, den historischen grünen Ring um die Innenstadt wieder zu schließen. Gleichzeitig eröffnet sie die einzigartige Gelegenheit, die Anlagen der Bundesfestung – ein Baudenkmal von europäischem Rang – mehr in den Blickpunkt zu rücken, sie besser in die Alltagswege zu integrieren.
Nicht nur die Freiflächen und die Mauerwerksbauten sind riesig, sondern auch deren Potenziale. Vieles wird möglich: attraktive Naherholungsbereiche, vielfältige Freizeitnutzungen, neue Wegeverknüpfungen, darunter eine direkte Fuß- und Spazierwegeverbindung aus Dichterviertel und Weststadt in die freie Landschaft. Und mehr Grün, das zur Verbesserung des Stadtklimas beiträgt.
Das Gelände der künftigen Landesgartenschau hebt sich aus dem Stadtplan räumlich kaum hervor. Ohne mühevolle Umwege von einem Ende zum anderen zu gelangen, ist derzeit ziemlich schwierig, egal ob zu Fuß, per Rad, mit dem Auto oder dem Öffentlichen Nahverkehr.
Grob gliedert sich das Gelände in drei Abschnitte, die unterschiedlicher kaum sein könnten:
Der südliche Bereich erstreckt sich von der Donau bis hin zum Blaubeurer Tor. Er beinhaltet die Ehinger Anlagen, eine Parkanlage mit noch unerschlossenen Potenzialen. Der Bereich zwischen dem Ehinger und dem Blaubeurer Tor ist wie ein breites Band aus Verkehrsflächen mit wenig Rest-Grün an den Rändern.
Der mittlere Bereich mit der Blaubeurer Tor-Brücke und der Wallstraßenbrücke stellt lediglich eine unbefriedigende Fuß- und Radwegeverbindung hinüber zur Wilhelmsburg dar.
Im nördlichen Bereich führt „wildes Grün“ von der Kienlesbergbastion hinauf bis zur Wilhelmsburg und deren Glacis, das an Artenreichtum gewinnen kann.
Insgesamt umfasst das Gelände der Landesgartenschau rund 19 Hektar. Mit der Landesgartenschau werden diese riesigen Freiflächen besser erschlossen, enger mit ihrer Umgebung verzahnt und auf vielfältige Art dauerhaft aufgewertet.
Dies ermöglicht eine grundlegende „Stadtreparatur“, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität in Ulm beitragen soll.
NORD
Rund um die Burg und ihren schlummernden Park
Das Wilhelmsburgglacis erstreckt sich im weiten Bogen von West nach Ost, von der Kienlesbergbastion über die nahe Umgebung der Burg selbst bis zur Oberen Gaisenbergbastion.
Geprägt ist dieses Areal von imposanten Festungsbauten, spektakulären Erdformationen und introvertierten, teils abgeschiedenen Grünräumen mit teilweise dichtem und waldartigem Baumbestand.
Ein Gelände mit hohem Entdeckerpotenzial also, gleichermaßen ein wertvoller Lebensraum beispielsweise für die gezählt 29 Vogelarten und für die zahlreichen Fledermäuse, die dort einen Lebensraum finden.
Die Neu-Nutzung der riesigen Wilhelmsburg ist bereits angelaufen. Im Rahmen des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ konnte sie in den vergangenen Jahren so stärker ins kulturelle Stadtleben einbezogen werden.
MITTE
Eine Verbindung über die Bahngleise
Ohne lange Umwege kann nur der motorisierte Verkehr die Gleisanlagen der Deutschen Bahn überwinden. Fußgänger und Radfahrer erleben die B10 hier als einen unwirtlichen Ort und fühlen sich buchstäblich an den Rand gedrängt.
Es besteht dringender Handlungsbedarf nach attraktiven Fuß- und Radwegsverbindungen zwischen Innenstadt und Wissenschaftsstadt und hoch zur Wilhelmsburg.
Der „Glacissteg“ als grünes Anhängsel an der Wallstraßenbrücke und ein neuer Radweg entlang der Kienlesbergstraße könnten Abhilfe schaffen.
Gleichzeitig muss nach Lösungen zur barrierefreien Erschließung der Wilhelmsburg gesucht werden. Ob mit Bus, Auto oder vielleicht mit einer Seilbahn wird geprüft.
SÜDEN
Von der Donau bis zum Blaubeurer Tor
Das Grün und der Lärm – sie stehen in den Ehinger Anlagen in einem unguten Wettstreit. Immerhin ist zwischen Donau und Ehinger Tor noch ein Rest des grünen Glacis-Bandes aus Bundesfestungszeiten erhalten geblieben. Der heute bereits parkähnliche Teil ist geprägt durch alten Baumbestand. Dieser ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.
Für die Planer-Teams heißt das: In den Ehinger Anlagen lässt es sich auf den bereits vorhandenen Qualitäten aufbauen. Zu einem „richtigen“ Park fehlt hier vor allem ein wesentlicher Faktor: Die Ruhe!
Zwischen Ehinger Tor und Blaubeurer Tor ist die Misere groß. Beide Stadttore sind verkehrsumspülte „Unorte“, die abseits stehen und nur wenig in das städtische Leben integriert sind.
Auf der B10 tost der Verkehr, der das Dichterviertel und die Weststadt wie mit einem Beilhieb von der Innenstadt durchtrennt. Nur an wenigen Stellen ist ein Übergang auf die andere Seite möglich.